„Ich sehe mich als Vermittlerin“
Interview mit der Galeristin Brigitte Scheytt
Ein ruhiger Dienstag Vormittag in der Galerie Scheytt. Von der Kaiserstraße hereinkommend wird man von der warmen hellen Atmosphäre großzügiger Altbauräume empfangen, Schwabinger Jugendstil. Entlang der Wände schweben von der Decke hängende Schmuckvitrinen und verlocken näher zu treten, um sich von Gold und Handwerkskunst verführen zu lassen. Brigitte Scheytt und ihre beiden Mitarbeiterinnen bereiten gerade Kundenaufträge vor. Zum Gespräch bittet die Schmuckgaleristin in den Nebenraum.
Welchen Schmuck trägst du heute, Brigitte?
Ich trage leuchtend rote Ohringe von „Some blushing berries“. Das sind gute Laune Garanten. Einen Anhänger aus unserer Sonderausstellung threads of gold von Catherine Martin mit einem kleinen Mondstein. Eine unglaublich schöne Arbeit, bei der nach einer japanischen Technik hauchzarte Drähte aus Feingold und Platin ineinander verwoben werden. Außerdem einen Feingold Ring von Ivan Chevillotte. Pures Gold, das direkt in die Ringform geschmolzen wird.
Wann bist du mit dem Thema Schmuck zum ersten Mal in Berührung gekommen?
Ohne mich wirklich daran zu erinnern: Bei meiner Geburt! Meine Familie hatte seit Generationen auf die eine oder andere Weise mit Schmuck zu tun. Mein Urgroßvater war Goldschmied, meine Großmütter beide in der Schmuck- bzw. Uhrenbranche tätig, meine Eltern führten einen Schmuckgroßhandel und mein Vater war in jungen Jahren viel in Südamerika unterwegs. Einer seiner ecuadorianischen Geschäftspartner schenkte mir zur Geburt ein goldenes Armband mit Namensgravur: Briggite mit zwei G und einem T! Das habe ich mir als Zwölfjährige eigenhändig verlängert und dafür ein Stückchen Panzerkette zurechtgefeilt.
Wolltest du Goldschmiedin werden?
Ja, unbedingt. Mit 13 Jahren erkämpfte ich bei meinen Eltern und gegen den Widerstand der besorgten Oma einen Diamantkurs in Antwerpen. Sämtliche Schulferien verbrachte ich in Goldschmieden oder Zulieferbetrieben.
In den Jahren vor dem Abitur saß ich, sobald die Hausaufgaben erledigt waren, im Büro meiner Eltern, habe Edelsteine für den Fasser gerichtet und den Goldschmieden Arbeiten zugeteilt. Mein Vater ließ mich auch Stücke entwerfen. Nach dem Abitur arbeitete ich dann eineinhalb Jahre in Lyon in Frankreich in einem Atelier. Die Firma fertigte unter anderem für Cartier.
Du hast dann aber Betriebswirtschaft studiert…
Die kaufmännische Seite reizte mich bald mehr als das Handwerkliche. Während des BWL-Studiums konnte ich bei größeren Firmen und in anderen Bereichen Erfahrungen sammeln, sogar beim Flugzeugbau! Nach meinem letzten Studentenjob im Direktmarketing entschied ich mich schließlich, mich im Schmuckbereich selbständig zu machen und ein eigenes Geschäft aufzubauen.
Im Januar 2000 wurde von dir die Firma „Geschwister Scheytt“ gegründet, die du heute zusammen mit deiner Schwester, der Juristin Isabel Scheytt leitest. Ihr beliefert Goldschmiedinnen und Goldschmiede mit Rohmaterialien und handelt mit Edelmetall und Schmuck. 2016 hast du in der Münchner Kaiserstraße im Herzen Schwabings deine Schmuckgalerie eröffnet. Wie entstand die Idee dazu?
Da wir seit zwanzig Jahren Material ausliefern und viele Schmuckschaffende und ihre Arbeit persönlich kennen, wuchs das Bedürfnis, die unglaubliche Vielfalt und wunderbare Qualität der Münchner Schmuckkunst sichtbarer werden zu lassen. Mir fiel auch auf, dass sich viele Menschen im Alltag oder bei kulturellen Veranstaltungen zwar gerne schmücken, aber offensichtlich aus Unwissenheit ihr Geld für austauschbare industrielle Massenware ausgeben, anstatt für eigentlich edleren, individuellen und schöneren, weil handgefertigten Schmuck.
Du hast mal erzählt, die Galerie zu eröffnen, war ein Wagnis…
Seit 2015 haben wir einen Gesellschafter, die Bauer Walser AG, eine kleinere Scheideanstalt, deren Vorstand die Idee zur Galerie von Anfang unterstützte. Vielleicht muss ich erst erklären, dass eine Scheideanstalt Altgold recycelt und mit modernster Technik Rohmaterialien für die Goldschmiedearbeit produziert, die wir mit unserer Firma wiederum vertreiben. Das ist gewissermaßen die Grundlage all der Schmuckstücke der Galerie. Ohne die Unterstützung unseres Gesellschafters wäre die Umsetzung der Galerieidee nicht möglich gewesen.
Du vertrittst ganz unterschiedliche Goldschmiedewerkstätten und Stile. Gibt es trotzdem eine verbindende Linie?
Ich vertrete und präsentiere inzwischen knapp Hundert Goldschmiedinnen und Goldschmiede, vorwiegend aus München und Umgebung, einige auch von anderswo. Ich lege großen Wert auf handwerkliche Perfektion und bin begeistert von Schönheit – in vielerlei Facetten! Als wir die Galerie eröffneten sagte eine der ersten Kundinnen: „Toll, dann muss ich nicht mehr durch die ganze Stadt radeln und die Goldschmiedewerkstätten einzeln abklappern.“
Es gibt viele Geschichten und Märchen, in denen Schmuck, insbesondere Ringe, eine große Rolle spielen. Haben Schmuck, Gold und Edelsteine auch etwas Magisches an sich? Kann ein Schmuckstück die Persönlichkeit verändern, hast du das selber oder bei Kunden schon erlebt?
Ja, das gibt es. Manchmal findet jemand ein richtiges Kraftstück. Das sind auch für mich tolle Momente. Oder jemand entdeckt beim Durchprobieren verschiedenster Schmuckstücke auf einmal eine gewisse Leichtigkeit an sich oder eine bislang verborgene Grandezza oder neue, andere Seiten der eigenen Weiblichkeit.
Meistens kaufen Männer Schmuck für Frauen. Gibt es eine Bewegung von Frau zu Mann?
Gerade bei jungen Paaren beobachte ich den Trend, dass sich beide zur Hochzeit etwas Beständiges schenken möchten. Oft geben die Herren Ohrringe und die Damen Manschettenknöpfe. Oder Frauen kaufen bei uns eine kleine Bronze für ihn, ein Bild, eine handgefertigte Pfeffermühle oder ein Gefäß aus Silber.
Welche Vorteile hat es für die Schmuckschaffenden ihre Stücke über euch zu verkaufen?
Meine Aufgabe sehe ich darin zu vermitteln. Menschen und Dinge zusammenzubringen. Für die Schmuckschaffenden vergrößern wir die Sichtbarkeit, schaffen Zugang zu einem zusätzlichen, oft sehr anderen Kundenkreis. Über die Galerie ergeben sich auch immer wieder neue Aufträge.
Die Galerie Scheytt ist nicht nur Schmuckgalerie, hier finden das ganze Jahr über auch Veranstaltungen statt…
Genau, auch hier sehe ich mich als Vermittlerin. Wir haben ja diese wunderschönen Räumlichkeiten und ich bin gerne Gastgeberin. Bei jeder unserer Veranstaltungen, ob Lesung, Konzert, Vernissage oder manchmal auch eine Weinverköstigung, gibt es tolle Begegnungen mit interessanten Menschen. Das zu ermöglichen und die Räume nach verschiedenen Seiten hin zu öffnen, macht mir großen Spaß.
Was möchtest du perspektivisch noch verwirklichen?
Ich bin natürlich fortlaufend auf der Suche nach neuen Künstlerinnen und Künstlern und baue ständig das Sortiment weiter aus. Eigentlich sehe ich mich immer noch am Anfang. Aber langsam werden die Kreise größer und internationaler, sowohl der Ausstellenden als auch des Publikums.
Auf der Vertriebsseite schwebt mir vor, „unsere“ Schmuckschaffenden auch außerhalb Münchens zu präsentieren, zum Beispiel in Paris oder Tokyo. Ich hoffe dieser Traum wird irgendwann Wirklichkeit.
Das Gespräch führte Sela Miller im Dezember 2020.